Interview zur DKMS Registrierungsaktion
19 Jun
Interview zur DKMS Registrierungsaktion
Interview mit Christian Werheid Spenderneugewinnung bei der DKMS Donor Center gGmbH
Frage: Wer kann sich für eine potentielle Stammzellspende bei der DKMS registrieren?
[Christian Werheid] Wer zwischen 17 und 55 Jahren alt und gesund ist, kann sich bei der DKMS registrieren. Registrierte 17-Jährige dürfen dann zwar noch keine Stammzellen spenden, werden aber ab dem 18. Geburtstag automatisch aktiviert und für die Spendersuche berücksichtigt. Das Engagement junger Erwachsener ist dabei aus medizinischen Gründen besonders wichtig. Sie sind in der Regel gesund, haben weniger Vorerkrankungen (z.B. schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Erkrankungen&) als ältere Menschen und werden von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten häufiger für eine Stammzellspende angefragt. Hinzu kommt: Je jünger ein Mensch zum Zeitpunkt der Registrierung ist, desto länger steht er für den weltweiten Suchlauf zur Verfügung. Das ist von großer Bedeutung für den Erhalt der Datei, denn jedes Jahr scheiden mehr als 100.000 Spender:innen aus Altersgründen aus.
Frage: Wie läuft die Registrierung am Aktionstag ab?
[Christian Werheid] Das geht einfach und schnell: Die Registrierung findet vor Ort auf digitalem Wege statt, daher bitten wir die Menschen, ein Smartphone mit zur Aktion zu bringen. Nach dem Ausfüllen einer Einwilligungserklärung nimmt man bei sich selbst mit drei Wattestäbchen jeweils einen Wangenschleimhautabstrich ab. In wenigen Minuten ist so der erste Schritt getan, um vielleicht einem Menschen das Leben retten zu können.
Frage: Warum sind auch Geldspenden wichtig?
[Christian Werheid] Für jede Registrierung und anschließende Typisierung der Gewebeprobe entstehen der DKMS Kosten (u.a. für Labor, Material, Logistik, Personal&) in Höhe von 50,00 Euro. Die Krankenkassen übernehmen diese Kosten nicht. Deshalb freuen wir uns über jede Geldspende.
Frage: Was bedeutet Typisierung eigentlich genau und was passiert mit meinen Daten?
[Christian Werheid] Bei einer Typisierung werden Gewebemerkmale, die Humane Leukozyten-Antigene (HLA), bestimmt. Dabei handelt es sich um Strukturen auf den Oberflächen der Zellen im Körper, anhand derer das Immunsystem zwischen eigenen und fremden Geweben unterscheidet. Wesentlich für den Erfolg einer Transplantation ist die Übereinstimmung der Gewebemerkmale zwischen Patient:in und Spender:in. In unserem Labor werden grundsätzlich 22 Gewebemerkmale bestimmt, was die Suche nach der optimalen Spenderin bzw. dem optimalen Spender noch zuverlässiger ermöglicht. Die Befunde werden anschließend pseudonymisiert nationalen und internationalen Registern für die weltweite Suche nach geeigneten Stammzellspender:innen zur Verfügung gestellt.
Frage: Was passiert, falls ich als Spender:in für eine Patientin oder einen Patienten tatsächlich infrage komme?
[Christian Werheid] Wird man als „genetischer Zwilling“ für eine Patientin oder einen Patienten identifiziert, ist der Zeitpunkt gekommen, sich endgültig zu entscheiden, ob man zur Spende bereit ist. Stimmt man zu, stehen erst einmal eine Bestätigungstypisierung sowie eine medizinische Voruntersuchung an. Denn oft kommt es erst Jahre nach der Registrierung zu einer Anfrage für eine Stammzellspende und in dieser Zeit können im Leben potentieller Stammzellspender:innen Umstände – z.B. Krankheiten – eingetreten sein, die eine Stammzellspende unmöglich machen. Steht einer Spende aus gesundheitlichen Gründen nichts im Wege, erfolgt im Anschluss ein ausführliches Aufklärungsgespräch mit der Ärztin bzw. dem Arzt über die möglichen Entnahmeverfahren:
Es gibt zwei verschiedene Methoden, Stammzellen zu spenden: die periphere Stammzellentnahme und die Knochenmarkentnahme.
Die periphere Stammzellentnahme kommt derzeit mit circa 90 Prozent am häufigsten zum Einsatz. Bei dieser Methode werden die Stammzellen über ein spezielles Verfahren (Apherese) aus dem Blut gewonnen. Die Ärztin oder der Arzt legt dazu jeweils einen Zugang in beide Armvenen, ähnlich der Blutspende. Zuvor erhalten alle Spender:innen über fünf Tage hinweg ein Medikament mit dem Wachstumsfaktor G-CSF. Der hormonähnliche, körpereigene Stoff G-CSF sorgt für eine vermehrte Produktion von Stammzellen und deren Ausschwemmung in die Blutbahn. Die periphere Stammzellentnahme dauert normalerweise drei bis höchstens fünf Stunden. In der Regel können unsere Spender:innen die Entnahmeklinik noch am selben Tag verlassen. Nur sehr selten wird ein zweiter ambulanter Entnahmetag notwendig.
Die Knochenmarkentnahme kommt bei etwa 10 Prozent der Stammzellspenden zum Einsatz. Bei der Knochenmarkentnahme wird den Spender:innen in einer zertifizierten Entnahmeklinik unter Vollnarkose circa ein Liter Knochenmark-Blut-Gemisch aus dem Beckenkamm entnommen. Das sind etwa fünf Prozent des Gesamtknochenmarks. Das Knochenmark regeneriert sich innerhalb weniger Wochen. Im Anschluss an die Knochenmarkentnahme ist es möglich, dass für wenige Tage ein lokaler Wundschmerz auftritt, ähnlich dem bei einer Prellung. Zur Knochenmarkentnahme bleiben unsere Spender:innen normalerweise für ein bis zwei Nächte im Krankenhaus. Anschließend raten unsere Ärzt:innen dazu, sich nach Rücksprache mit der Entnahmeklinik noch einige wenige Tage zu Hause zu erholen.
Frage: Gibt es Risiken oder Nebenwirkungen?
[Christian Werheid] Als häufige Nebenwirkungen während der Behandlung mit G-CSF geben die Spenderinnen und Spender bei der peripheren Stammzellentnahme Knochen- und Muskelschmerzen oder eine Erhöhung der Körpertemperatur an, seltener auch andere Nebenwirkungen wie z.B. Übelkeit. Die Beschwerden lassen nach Absetzen der Medikation in der Regel innerhalb weniger Tage nach.
Im Anschluss an die Knochenmarkentnahme ist es möglich, dass für wenige Tage ein lokaler Wundschmerz auftritt, ähnlich dem bei einer Prellung. Das gesundheitliche Risiko der Knochenmarkentnahme ist gering. Es beschränkt sich im Wesentlichen auf das allgemeine Risiko, das mit jedem chirurgischen Eingriff einhergeht (Infektion, Blutergüsse, Wundheilungsstörungen). Um vermeidbare Risiken auszuschließen, hat für uns die sorgfältige medizinische Voruntersuchung unserer Spenderinnen und Spender höchste Priorität.
Frage: Erfahre ich, für wen ich spende?
[Christian Werheid] Eine Spende erfolgt zunächst immer anonym. Auf Wunsch können Spender:innen jedoch Herkunftsland, Geschlecht und das ungefähre Alter ‘ihrer‘ Patient:innen erfahren. Nach zwei Jahren ist es möglich, die Anonymität aufzuheben, wenn beide Seiten dies wünschen und ein schriftliches Einverständnis vorliegt. Während dieser zwei Jahre ist in vielen Ländern ein anonymer Briefwechsel möglich, die DKMS vermittelt gern den Austausch. Leider erlauben nicht alle Länder die anonyme und/oder persönliche Kontaktaufnahme.